„Urlaub ist und bleibt ein Statussymbol“, sagt Professor Dr. Ulrich Reinhardt. Familien verzichten eher auf die neue Couch als auf einen gemeinsamen Urlaub. „Die Tendenz gegenwärtig ist, dass Familien möglichst viel erleben und das dann auch per WhatsApp oder in anderen sozialen Medien mitteilen wollen.“ Neidfaktor inklusive. „Dabei würde ich mir wünschen, dass es viel anerkannter ist zu sagen, dass ich im Urlaub auf Balkonien endlich Zeit hatte, ein Buch zu lesen und mich so richtig zu erholen.“ Zusätzlich sind die Ansprüche an den Urlaub immens hoch: Oft wollen Frauen aus dem klassischen Modell raus und eben nicht jeden Tag kochen müssen, erwarten von den Vätern, sich jetzt auch mal um die Kinder zu kümmern, die Tage sollen spannend sein, Sex und Erotik dürfen auch nicht zu kurz kommen, spektakuläre Ausflüge müssen sein … die Wünsche sind vielseitig. „Viele Eltern sagen auch: Jetzt will ich auch mal Zeit für mich und uns haben und hoffen dann, dass sich der Kinderclub um den Nachwuchs kümmert“, so erläutert der Hamburger Experte weiter. Deshalb bieten selbst Bauernhöfe nicht mehr nur das „Kühestreicheln“ an, sondern Mountainbiketouren, Schluchtenspringen und Lagerfeuer mit Stockbrot.
Jeder darf bestimmen
Natürlich soll jeder und jede im Urlaub etwas für sich selbst herausholen, doch letztlich gehe es im Familienurlaub doch hauptsächlich um die Stärkung des Zusammenhalts und die Gemeinsamkeiten. Deshalb schlägt Professor Reinhardt zum Beispiel vor, dass jeder einen Tag im Urlaub bestimmen darf: An einem Tag gibt’s Pommes, dafür dürfen die Kinder nicht nörgeln, wenn die Eltern am nächsten Tag zwei Stunden in Ruhe essen gehen wollen. An einem Tag geht’s ins Museum, am anderen Tag steht nur Fußballspielen an. Das ist demokratisch und nimmt jeden in der Familie ernst. „Historisch gesehen hat sich das Reiseverhalten von Familien natürlich stark verändert“, sagt Reinhardt. Während in den 1950er- und 60er-Jahren in den Ferien die Verwandtschaft besucht wurde, fand Urlaub dann bis in die 80er-Jahre vorrangig in Deutschland statt. Es folgen Busfahrten über den Brenner, nach Spanien. „Natürlich waren Autoreisen beliebt, aber gerade das Reisen mit dem Bus, zum Beispiel an die Costa Brava oder Adria, nutzten viele Familien.“
Urlaub immer kürzer
Grundsätzlich gehört der dreiwöchige Urlaub der Vergangenheit an. „In jedem Jahrzehnt hat die Dauer des Urlaubs um zwei Tage abgenommen“, weiß Professor Dr. Ulrich Reinhardt. Familien verreisen eher zehn Tage. Heute komme neben dem Haupturlaub, der übrigens immer noch am liebsten am Meer verbracht werde, auch mal ein verlängertes Wochenende hinzu. „Es gibt so viele Möglichkeiten, das Geld auszugeben, doch der Urlaub gilt nach wie vor als das Highlight, auf das hingefiebert und hingespart wird. Urlaub gilt als die populärste Form des Glücks.“ Wer weniger Geld zur Verfügung hat, verreist in Deutschland. Allerdings: „Seit der Wiedervereinigung wurden Hotels immer hochwertiger gebaut, saniert, umgebaut. Dadurch gibt es viel weniger Zwei- oder Drei-Sterne-Hotels oder einfachere Unterkünfte als früher; damit wird eine Zielgruppe leider fast ausgeschlossen.“
Großeltern reisen mit
Einen weiteren Trend stellt Reinhardt fest: Großeltern verreisen gern mit ihren Enkeln. „Ich glaube sogar, dass wir bald als Großfamilien Urlaub machen werden. Und ich meine, dass sich künftig auch aus ökologischen und wetterbedingten Gründen das Reisen verändert: Dann machen wir doch im eigenen Land Urlaub und die Erholung steht an erster Stelle.“ Das könnte nämlich heißen: Uhr ablegen, Handy weg, Frühstück verschlafen und die Zeit vergessen. Wer im Urlaub zu Hause bleibt, sollte nämlich nicht mit liegen gebliebenen Arbeiten beginnen – sonst werden diese freien Tage nicht erholsam sein. Dennoch: Urlaub bildet, gibt neue Eindrücke, wir wollen unseren Kindern ja gemeinsame neue Erlebnisse bieten. Letztendlich soll jeder und jede so reisen, wie es zur Familie passt. Aber vielleicht könnten wir unsere Erwartungen etwas runterschrauben, damit der Urlaub auch wirklich das Highlight des Jahres wird? Übrigens: Wer ganz zu Hause bleiben will oder muss, weiß ja, dass die Städte gerade in den Sommerferien ein unglaublich großes Angebot mit vielen Projekten und Action anbieten.