Forschungsergebnisse zeigen, dass Eltern schon während der Schwangerschaft emotionale Nähe zu ihrem Kind aufbauen und den Beginn einer lebenslangen, tiefen Verbindung schaffen können.
Vertrauen frühzeitig herstellen
Vorgeburtliche Erfahrungen prägen tief, denn Babys werden über Nabelschnur und Plazenta nicht nur mit Nahrung versorgt: Auch die Gefühle der Mutter werden auf den Nachwuchs übertragen. Es gibt verschiedene Ansätze, die den vorgeburtlichen Bindungsaufbau gezielt bereichern können. Die Bindungsanalyse beispielsweise, entwickelt in den 1990er-Jahren durch die Psychoanalytiker Jenő Raffai und György Hidas, will für die frühe Beziehung zum ungeborenen Kind sensibilisieren. Raffai hatte in seiner psychotherapeutischen Arbeit erkannt, wie bedeutend die Qualität der vorgeburtlichen Erfahrungen und Beziehung für die spätere Entwicklung ist. Er hatte zuvor bei Kindern mit schizophrenen Psychosen herausgefunden, dass deren Mütter während der Schwangerschaft ein traumatisierendes Ereignis erlebt hatten. Deshalb kamen die Analytiker auf die Idee, mit Schwangeren zu arbeiten, um Bindung und Vertrauen zwischen Mutter und Kind frühzeitig herzustellen. „Man kann die Bindungsanalyse als eine Art Psycho-Prophylaxe sehen, in der man lernt, sich auf emotionaler Ebene mit seinem Kind zu verbinden, bevor es überhaupt das Licht der Welt erblickt“, bestätigt die Prä- und Perinatal-Psychologin Maya Kerpenisan aus Düsseldorf. „In der Bindungsanalyse entsteht ein vertrauensvoller Raum, in dem sich die werdende Mutter auch ihren eigenen Gefühlen, Erfahrungen und Sorgen öffnen kann und lernt, diese vom Baby abzugrenzen.“
Jeder Kontakt fördert die Bindung
Jede Art von Beziehungsaufnahme kann für die Entwicklung des Fötus und seine Bindung zu Mutter und Vater vorteilhaft sein. Forschungen zeigen, dass ungeborene Babys reagieren, wenn ihre Mutter mit ihnen spricht, und ihre Stimme nach der Geburt erkennen. Berührungen spielen eine ähnlich wichtig Rolle. Die „Haptonomie“, begründet vom niederländischen Psychotherapeuten Frans Veldman, versteht sich als ganzheitliches „Begreifen“ des Menschen. Im Mittelpunkt steht ebenfalls die Idee eines möglichst frühen Kontakts zum ungeborenen Kind, der vor allem durch Berührungen hergestellt wird. „Die Haptonomie ist keine Methode, sie ist eine bewusste und achtsame Lebenseinstellung“, erklärt Maya Kerpenisan. „Durch den psychotaktilen Kontakt wird die eigentlich nicht fassbare Dimension des Babys für die Eltern erfahrbar. Dem Vater kommt dabei eine besondere Rolle zu. Durch seine Hände kann er das Kind spüren lassen, dass er da ist, einladend und beschützend. Das ungeborene Kind fühlt sich angenommen und geliebt.“ Ob mit zusätzlicher Unterstützung oder alleine, jede Familie findet letztlich ihre eigene, einzigartige Art, mit dem Ungeborenen in Verbindung zu treten. Ob es das Streicheln des Bauches, das liebevolle Zwiegespräch oder die intensive Zuwendung zum Baby in Gedanken ist. Sicher ist, dass das Kind die Liebe spüren kann.