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Ein großes Geschäft für die Nachhaltigkeit

Meist werden mit dem Begriff Nachhaltigkeit komplizierte Prozesse moderner Technologien und Zukunftsvisionen mit Entwicklungspotenzial verbunden. Dabei gerät in Vergessenheit, dass es einfache Lösungen aus der Vergangenheit längst gibt.

Eine Mutter hält ihr Baby über dem Waschbecken ab und das macht Pipi

Andrea Vogelgesang

04.09.2023

Lesezeit 3 Minuten

Schon vor der Geburt ihres Sohnes stand für Lea fest, dass ihr Grundsatz, nachhaltig zu leben, nicht an dem Gebrauch von Fertigwindeln scheitern sollte. „Das ist etwas, das 2023 einfach nicht mehr geht, für uns nicht und für niemanden. Mein Freund und ich wollten weder uns selbst noch die Zukunft unseres Sohnes, einfach aller Kinder, mit der Nutzung von so vielen Wegwerf-Produkten belasten. Plastikwindeln sind keine alternativlose Variante“, da ist sich die junge Mutter sicher. Denn es werde weltweit tagtäglich ein unfassbarer Müllberg produziert, so Lea, bei dem es sich praktisch um Sondermüll handele, da in den auf dem Markt erhältlichen Windeln so viele unterschiedliche Materialschichten enthalten seien. So setzt die 36-Jährige seit über einem Jahr die Idee von „Windelfrei“ in die Praxis um – und sie ist begeistert.

Gut beraten

Mit fachlichem Rat und praktischen Tipps begleitet sie dabei die Windelberaterin, Maia Kessler, die gleichzeitig eine Freundin aus Kindertagen ist. Diese betont im Gespräch erst mal weniger praktisch-funktionale Aspekte als vielmehr die emotionale Ebene: „Der Ausscheidungsvorgang ist als ein Grundbedürfnis anzusehen wie Kuscheln und Liebe. Dafür gibt es das Fachwort Elimination Communication, das sinngemäß bedeutet, dass das Baby seine Ausscheidung sozusagen ankündigt, was eine sensible Kommunikation voraussetzt und stärkt. Dieser Prozess gehört zur Grundkommunika-tionsbasis, Eltern nehmen die Bedürfnisse ihres Nachwuchses achtsam wahr.“

Schreien, um nicht in die Windel zu machen

Maia Kessler, selbst Mutter von zwei kleinen Kindern, hat bei Rita Messmer, die das Konzept „Windelfrei“ in der Schweiz und Europa bekannt gemacht hat, eine halbjährige Ausbildung für nachhaltiges und natürliches Wickeln mit Abschlussprüfung abgelegt.  Zu den Lerninhalten gehört es, die Zeichen der Säuglinge zu verstehen: mit Meckern, Strampeln oder einem in sich gekehrten Blick würden sie signalisieren, dass sie mal müssten. Maia Kessler berichtet mit Begeisterung und Idealismus über Theorie und Praxiserfahrungen: „Schon Neugeborene sind in der Lage, zu kommunizieren, bevor es losgeht und ,warten‘ auf das Töpfchen, denn sie haben den Instinkt, sich nicht beschmutzen zu wollen. Ich selbst habe meine Kinder zu 100 Prozent abgehalten, das hat gut funktioniert.“ Das legt die Schlussfolgerung nahe, dass Babys nicht, wie gemeinhin gedacht, im Nachhinein schreien, wenn die Windel voll ist, sondern im Gegenteil zuvor, weil sie genau das vermeiden wollen.

Porträt von Maia Kessler vor rauer Betonwand

Maia Kessler bietet Einzel- und Paarberatung oder Workshops zu allen Fragen rund um „Windelfrei“ und Stoffwindeltypen an. Außerdem vermietet sie Test- und Newborn-pakete mit entsprechenden Tipps zu jedem Windeltyp. Ihr Motto: „Ich will meine Erfahrungen in die Welt tragen und aus Überzeugung von meinen Erfahrungen berichten.“ Mehr dazu erfährst du unter natuerlichkinderleicht.de.

Neuer Trend sehr alt

Eigentlich ist die Erfindung der Wegwerfwindel zeitgeschichtlich gesehen neu, denn erst seit 1961 wird sie in den Industrieländern vermarktet. In vielen Regionen der Welt wurden und werden überhaupt keine Windeln oder nur welche in der auswaschbaren Stoffvariante benutzt. Das für viele gewagt und modern klingende Konzept „Windelfrei“ gehört an vielen Orten seit jeher und bis heute selbstverständlich zum Lebensalltag mit Säuglingen und Kleinkindern. Ohne den Begriff zu kennen, halten junge Eltern weltweit intuitiv und ganz natürlich über die Ausscheidungskommunikation ihren Nachwuchs ohne Windeln trocken. In die deutschen Kinderstuben zieht nun unter anderem dank Rita Messmer seit 2000 allmählich diese natürliche Variante wieder ein. Ebenso, wie Neugeborene mit eindeutigen Zeichen Hunger, Schmerzen oder Müdigkeit anzeigen, kündigen sie Ausscheidungen an. Es handelt sich um einen bedürfnisorientierten und entwicklungspsychologisch abgestimmten Prozess. Expert:innen betonen, dass dieser aber nur funktioniere, wenn er ausreichend trainiert werde. Ansonsten würden Babys die Fähigkeit bis zum sechsten Lebensmonat wieder verlieren.

Stoffwindel als Hilfe

Maia Kessler merkt an, dass junge Eltern über einen sensiblen Kommunikationskanal mit ihrem Nachwuchs hinaus auch ein Gespür für Standardsituationen bekämen, wie zum Beispiel, dass das Baby in der Regel nach dem Schlafen oder Trinken verdaue oder ausscheide und abgehalten werden müsse. Ein großer Vorteil dabei liege zudem darin, dass der Popo nicht verschmiert werde, also sauberer bliebe. Doch sie weist darauf hin, dass der Begriff „windelfrei“ nicht bedeute, dass gar keine Windel zum Einsatz käme. Lea kennt sich mit ihrem inzwischen über einem Jahr alten Sohn gut mit dem dazugehörigen Equipment aus. Sie nutzt ein Stoffwindel-System, das aus einer bunten Überhose aus PUL (Polyurethanlaminat) besteht, in die Mullwindeln eingelegt oder passende Einlagen eingeknöpft werden können. Die Überhose lässt sich abwischen, auslüften oder kommt bei größeren Verschmutzungen in die Maschine. Die Einlagen wäscht sie ungefähr zwei bis drei Mal in der Woche bei 60 Grad. Es gibt aber auch andere Stoffwindelsysteme, zum Beispiel aus Wolle, da ist für alle Bedürfnisse und Vorlieben etwas dabei. Lea hat auch Ermutigung von ihrer Großmutter bekommen, die das Projekt „Windelfrei“ bei ihrem Urenkel von Anfang an mit verfolgt hat und es gar nicht komisch fand. Stoffwindeln gab es früher nur und das alles sei damals nur mit Handwäsche zu schaffen gewesen. Umso mehr spreche heutzutage für das Konzept mit dem Luxus von Waschmaschinen, so Lea.

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