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FĂŒr Fairness, mit Courage

Jawahir Cumar hat schöne Erinnerungen an ihre Heimat Somalia: den Respekt vor Ă€lteren Menschen, das GeschichtenerzĂ€hlen und: „Wenn der große Regen kommt, tanzen alle freudig darin, obwohl er kalt ist.“ Kurz vor ihrem zwölften Geburtstag flĂŒchten die Eltern mit ihr und den vier Geschwistern aus dem Krieg nach Deutschland. Der Asylantrag wird binnen Tagen anerkannt, der Vater findet sofort Arbeit, und sie kommt in eine fĂŒnfte Klasse.

Jawahir Cumar in der Beratungsstelle vor Fotos

Astrid Krömer

05.07.2022

Lesezeit 2 Minuten

„Mathe war zunĂ€chst das einzige Fach, in dem ich etwas verstand“, erzĂ€hlt die heute 45-JĂ€hrige, die nach ihrem Schulabschluss Dolmetscherin und Übersetzerin der somalischen Sprache wird, dann stetig das ÜbersetzungsbĂŒro „AbAAYO“ (somalisch fĂŒr: Schwester) aufbaut, das mittlerweile in mehr als 100 verschiedene afrikanische Sprachen Vermittlung bietet, und dessen HonorarkrĂ€fte sowohl ausgebildete Sprach- wie auch Kulturmittler sind. Allein dies mutet schon ungewöhnlich an. Aber wir sind in der Beratungsstelle des Vereins „stop mutilation“ zusammengekommen, weil ich mehr ĂŒber Cumars Lebensaufgabe erfahren will, fĂŒr die sie 2011 als „DĂŒsseldorferin des Jahres“ in der Kategorie „Fairness und Courage“ ausgezeichnet wurde. Mit viel Erfahrung erzĂ€hlt die VereinsgrĂŒnderin und GeschĂ€ftsfĂŒhrerin ĂŒber die grausame Tradition der weiblichen GenitalverstĂŒmmelung, von der weltweit 200 Millionen Frauen betroffen sind, und der immer noch tĂ€glich rund 8000 MĂ€dchen neu unterzogen werden.

Abends kamen wir mit vielen Kindern unter freiem Himmel zusammen, ein kleiner Teppich wurde ausgelegt und die Älteren erzĂ€hlten Es-war-einmal-Geschichten. Wir lauschten, bis wir mĂŒde wurden, und wenn ein Kind einschlief, bekam es eine Decke ĂŒbergelegt und war geborgen.

Jawahir Cumar

Jawahir Cumar selbst ist fĂŒnf Jahre alt, als sie SĂŒĂŸigkeiten und ein schönes Kleid bekommt, die Großmutter mit ihr zu einem Arzt fĂ€hrt, der das kleine MĂ€dchen auffordert sich auszuziehen, Fragen sind nicht erlaubt. Als sie nach der Narkosespritze mit Schmerzen aufwacht, bekommt sie – wie alle Betroffenen – nur dieses Tabu mitgegeben: „Du darfst mit niemandem darĂŒber sprechen.“ „Ich hatte noch GlĂŒck, denn ich war bei einem der besten GynĂ€kologen in Mogadischu. Meine Ă€lteren Schwestern waren bei lokalen Beschneiderinnen“, erzĂ€hlt Cumar. Sie hat jung geheiratet und die erste Geburt (sie hat drei Kinder) fĂŒhrt zu einem neuen, schrecklichen Erlebnis. Der entbindende Arzt steht vor einem unbekannten Fall: einer beschnittenen, zugenĂ€hten Frau. Kurzerhand schneidet er sie auf, um sie danach schlimmer als zuvor wieder zuzunĂ€hen. Nicht lange darauf, 1996, bereist Jawahir Cumar erstmals wieder ihre Heimat und bekommt mit, dass ein MĂ€dchen an den Folgen seiner Beschneidung stirbt. „Da realisierte ich, dass ich zwar in Europa lebe, sich aber an der Tradition nichts verĂ€ndert hat, wiederum deutsche Ärzte nichts ĂŒber GenitalverstĂŒmmelung wissen.“ Fortan wird sie unter dem Motto „MĂ€dchen schĂŒtzen, Frauen unterstĂŒtzen“ zur engagierten Aktivistin in der somalischen Region Puntland sowie in DĂŒsseldorf – und lernt aus FettnĂ€pfchen. „Du musst Menschen, die Hunger leiden, erst mal Tee anbieten und Reis geben, bis deren Kopf bereit ist, ĂŒber eine Kampagne nachzudenken.“ In Deutschland baut sie eine der wenigen Beratungsstellen fĂŒr Betroffene auf, hĂ€lt unermĂŒdlich VortrĂ€ge oder organisiert Fachtagungen, damit medizinische, pĂ€dagogische und behördliche FachkrĂ€fte Betroffenen helfen können. Mediale Aufmerksamkeit kam vor einigen Jahren durch das Buch und dessen Verfilmung „WĂŒstenblume“ ĂŒber Waris Dirie; Cumar kennt sie von einer Kampagne in Berlin. „Obwohl es lĂ€ngst Gesetze gibt, kommen wir im Schneckentempo voran“, weiß Cumar und erklĂ€rt: „Viele Migranten und GeflĂŒchtete wissen nicht, dass die weibliche Genitalbeschneidung in Deutschland verboten ist.“ Es war einmal? Nein, diese schreckliche Geschichte hat noch lĂ€ngst kein gutes Ende ...

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