Na, habt ihr in den letzten Wochen auch mitgespielt beim Seuchenroulette? Morgens nach dem Aufstehen habe ich diesen kleinen Moment für mich in der Küche, bevor alle aufwachen und ich weiß, wer krank ist und bevor ich auf mein Telefon schaue und erfahre, ob in der Kita gerade Notbetreuung ist, eine Lehrerin Corona hat oder die beste Freundin meines Kindes sich in der Nacht übergeben musste. Dieser kleine Moment der inneren Einkehr, in dem alles möglich zu sein scheint, und ich mir eine imaginäre To-do-Liste im Kopf erstelle, die nur Sekunden später aufs übelste zerschmettert wird, wenn das erste Kind hustend mit den Worten „Ich fühl mich nicht gut“ aus dem Bett gekrochen kommt, während mich zeitgleich eine Lawine von WhatsApp Nachrichten überrollt. O du fröhliche!
Christkind oder Weihnachtsmann
Aber jetzt ist es geschafft und sie sind endlich da, die lang ersehnten Weihnachtsferien! Auf dass wir es in den kommenden Tagen noch schaffen, neben all den Vorbereitungen, die vor dem großen Fest noch getroffen werden müssen, den Augenblick zu genießen und einfach einmal beisammen zu sein. Vielleicht wurden ja auch schon genug Plätzchen gebacken und Wichtelstreiche veranstaltet und es ist ein bisschen Zeit für einen gemütlichen Spaziergang, eine Runde Mau-Mau im Schlafanzug oder gemeinsames Nichtstun übrig? Denn die Weihnachtstage werden für uns Eltern – so schön sie ja auch sind – doch wieder herausfordernd genug. Ich habe mich einmal umgehört, was Menschen so im Zusammenhang mit Weihnachten erleben, beziehungsweise, was über die Jahre so hängen bleibt. Eine besondere Herausforderung scheint immer wieder zu sein, wie man mit Christkind und Weihnachtsmann umgeht. Während meine eine Kollegin viel Wert darauf legte, dem Wunsch ihres Kindes nachzukommen und ehrlich mit ihm zu sein, ist es der anderen besonders wichtig, den Zauber so lange wie möglich aufrecht zu erhalten: „Meine Tochter wollte an einem Weihnachten auch den Rentieren etwas Gutes tun und ihnen Möhren rauslegen.“ Dreimal dürft ihre raten: Ja natürlich lagen im Anschluss nicht nur die Geschenke unter dem Baum, sondern auch die Möhren waren angeknabbert. Von der Tochter wurde allerdings nur bemerkt, dass ja gar keine Rentierspuren am Boden zu sehen wären. O du fröhliche!
Festliche Notaufnahmenbesuche
Besonders lustig wird es dann, wenn die Kinder selbst schon gar nicht mehr so recht an den Zauber glauben, es aber Mama und Papa zuliebe durchziehen. Ein Bekannter wurde von seinem Neffen einmal harsch in die Seite geknufft mit einem vielsagendem Blick in die Richtung der Eltern und den Worten: „Die bringt doch der Weihnachtsmann!“ Aber auch ein gemeinsam gehütetes Geheimnis, kann ja einen gewissen Weihnachtszauber entfachen. Bei uns zu Hause war das größte Thema immer, ob es am Baum nur künstliche oder auch echte Kerzen gibt. Meine Mutter setzte sich mit ihrem Wunsch nach echten Kerzen schließlich durch, aber nicht ohne dass mein Vater einen Eimer Sand unter dem Baum deponiert hätte. Schlau war das sicher, denn gerade in den Feiertagen haben die Feuerwehrleute- und Rettungskräfte meist schon genug zu tun. Das durfte auch meine Kollegin Pia erleben, als ihrer Tochter am Heiligabend das Lippenbändchen riss und sie nach dem Mittagsschlaf blutüberströmt in ihrem Gitterbettchen stand. „Wir waren völlig überfordert und auch noch nicht lang in Düsseldorf, also fuhr mein Mann (der gerade damit beschäftigt war, den Baum zu schmücken) mit ihr in die Notaufnahme. Dort wurde ihm gesagt, dass das völlig harmlos sei, man könne da auch nichts machen, und „junge Eltern“ könnten das oft nicht einschätzen. Danke für nichts!! War ja unser drittes Kind, aber der erste Lippenbändchenriss. Die Bescherung verschob sich gefühlt ins Unendliche, weil ich in der Zwischenzeit ja nicht heimlich den Baum schmücken konnte.“ O du fröhliche!
Feierlicher Leichenschmaus
Ein weiteres Aufregerthema scheint auch immer das Essen zu sein. Die einen essen am Heiligabend immer Kartoffelsalat und Würstchen, während bei den anderen erst mit Gans und Klößen die richtig festliche Stimmung aufkommt. Besonders brisant wird es dann, wenn Vertreter:innen unterschiedlicher Fraktionen am Tisch zusammen kommen und das Thema zur Zerreißprobe der besinnlichen Stimmung machen. Wenn dann – wie bei meiner Freundin – noch ein Kind just am Heiligabend das Bewusstsein dafür entwickelt, dass die Gans ja sterben musste, damit sie einen Platz auf ihrem Festtagstisch bekommt, ist die Nacht schnell gar nicht mehr ganz so still. „Sie saß eine Dreiviertelstunde weinend unter dem Esstisch, weil sie den Anblick des toten Tieres nicht ertragen konnte, während der Opa erzählte, dass sie damals ja nicht so verweichlicht waren. Irgendwie war am Ende allen der Appetit vergangen. Oma setzte dem ganzen dann dem ganzen die Krone auf mit den Worten ‚Jetzt musste das arme Ding ganz umsonst sterben.‘“ O du fröhliche!
Festtagstaxi
Fakt ist: Wir sind mit der Großfamilie an den Weihnachtstagen so viel zusammen, wie im ganzen Jahr sonst nicht und das kann bei der einen oder dem anderen schon mal zur Geduldsprobe werden. Ob wir uns über Traditionen streiten oder ob wir uns mal wieder von Tante Gerda erzählen lassen müssen, wie wir unsere Kinder erziehen sollten oder genervt Diejenige sind, die nüchtern bleibt, um in der Nacht alle nach Hause zu fahren: Sicherlich macht es Sinn, in diesen Tagen den Anspruch an uns selbst und die Menschen um uns etwas herunterzuschrauben. Denn bei allem Perfektionismus und allen Triggern, die Weihnachten so mit sich bringt, sollten wir uns in diesen Tagen doch auch einmal kurz bewusst machen, wie dankbar wir sein können, einfach in Frieden zusammen zu sein.
In diesem Sinne wünschen wir euch wunderbar chaotisch fröhliche Tage mit viel Freude und wenig Frust und hoffentlich auch den ein oder anderen Moment der Besinnlichkeit.
Fröhliche Weihnachten wünscht das LIBELLE-Team!