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Wie gefährlich ist der Schulweg?

Marion Heyers ist Kriminalhauptkommissarin und bei der Polizei Düsseldorf für Kriminalprävention und Opferschutz zuständig. Im Interview erzählt sie von ihren Erfahrungen aus der Praxis und wie Kinder selbstständig und sicher zur Schule kommen.

Porträr von Marion Heyers

Pia Arras-Pretzler

22.08.2024

Lesezeit 4 Minuten

Kinder fit machen für den Schulweg – was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Aspekte?

Ich möchte vorausschicken, dass ich für den Bereich Kriminalprävention zuständig bin – ein ganz wesentlicher Aspekt für einen sicheren Schulweg ist nämlich natürlich die Verkehrssicherheit. Auf Elternabenden frage ich immer zuerst: Was glauben Sie, was auf dem Schulweg passieren kann? Dann kommen die Horrorszenarien, die immer wieder durch die Medien geistern: Kinder, die irgendwie verschwinden, entführt werden. Dazu ist zu sagen, dass so etwas praktisch nie vorkommt. Im Jahr 2023 hatten wir in Düsseldorf keinen einzigen Fall. Missbrauch findet meistens im Umfeld, und zwar zu 90 Prozent im nahen Umfeld statt. Die Kinder kennen diese Menschen. So etwas hört man nicht gern, es wird verdrängt. Natürlich passiert es auch, dass Kinder auf der Straße angesprochen werden – das ist aber meist harmlos und einfach nur dumm und gedankenlos von Erwachsenen.

Die Medien tun das ihre dazu: Ein Kind verschwindet, darüber wird groß berichtet. Die meisten Kinder tauchen aber unbeschadet wieder auf. Wir hatten vor einiger Zeit den Fall, dass aus einer kleinen Sache ein Riesending wurde: Jemand hatte beobachtet, dass zwei Kinder in einen schwarzen Lieferwagen stiegen. Eltern gerieten in Panik, zumal dieser schwarze Lieferwagen immer wieder auftauchte und an der Schule vorbeifuhr. Es wurden sogar Hubschrauber eingesetzt, aber im Endeffekt stellte sich heraus: Der Fahrer war ein Vater, der seine Kinder abholte. Und weil er umzog und die Schule auf dem Weg zur neuen Wohnung lag, fuhr er eben mehrmals an der Schule vorbei. Das ist auch ein Teil meiner Aufgabe: zu deeskalieren. Denn natürlich haben Eltern Angst um ihre Kinder, dagegen bin ich auch als Profi nicht gefeit.
Grundsätzlich kann man also sagen, dass der Schulweg, was sexualisierte Gewalt angeht, nicht das Problem ist. Trotzdem sollten Sie mit Ihren Kindern besprechen, wie sie sich auf dem Schulweg oder in der Freizeit verhalten sollen – dem Alter des Kindes entsprechend, und ohne ihm Angst zu machen.

Es gibt ja verschiedene Initiativen, die sich für mehr Sicherheit auf dem Schulweg engagieren, etwa die Notinseln. Der Aufkleber auf dem Geschäft signalisiert: Hier wird mir geholfen. Bringt das etwas?

Ich bin da skeptisch, denn es schwingt auch mit: NUR dort wird mir geholfen. Dabei ist es in einem Notfall wichtig, schnell zu reagieren. Kinder könnten sich verzetteln, wenn sie nach dem Aufkleber suchen und nachdenken müssen, welcher Laden den jetzt hatte, dabei ist es in einer unangenehmen Situation am besten, in den nächstbesten Laden zu gehen: zum Bäcker, zum Metzger … Die meisten Erwachsenen, auch auf der Straße, werden einem Kind helfen, das um Hilfe bittet.

Wie sinnvoll sind Laufgruppen? Ich habe die Erfahrung, dass das oft ein schwieriges Thema ist, weil Kinder nicht mit allen in der Gruppe gut klarkommen – oder die Vorstellungen der Eltern auseinandergehen, welchen Grad an Selbstständigkeit sie ihrem Kind zutrauen. 

Ich habe eine Liste mit Tipps für einen sicheren Schulweg, darauf ist der erste Punkt: Geh mit Freunden oder Klassenkameraden zusammen. So etwas gibt Sicherheit, aber es reicht, zu zweit zu sein!

Was halten Sie von Selbstverteidigungskursen für Kinder?

Wenn der Kurs eine Art Erfolgsgarantie à la „So kann Ihrem Kind garantiert nichts passieren“ verspricht, dann wäre ich skeptisch. Auch mit der besten Kampftechnik kann ein Kind sich nicht gegen einen Erwachsenen durchsetzen, das ist eine Illusion.

Wie sieht ein gutes Präventionsprogramm aus?

Ein gutes Präventionsprogramm ist auf Dauer angelegt, zum Beispiel einmal pro Woche über zehn Wochen, und es setzt auf Selbstbehauptung und stärkt Kinder – dass sie lernen, laut NEIN zu sagen, dass sie sich auf ihr Bauchgefühl verlassen. So etwas muss man üben, wie eine Sportart, deshalb sollte der Kurs auch über einen längeren Zeitraum laufen. Ich weiß, das Internet ist voll von Bewertungen aller Art, aber es kann helfen, sich zu informieren, wie andere den Kurs fanden. Außerdem sollen die Kinder gern hingehen und dort Spaß haben.

Wie sprechen Eltern mit ihren Kindern über das Thema sexualisierte Gewalt und die Gefahren auf dem Schulweg?

Das ist kein einfaches Thema, aber man soll mit seinen Kindern darüber sprechen, kind- und altersgerecht, ohne ihnen Angst zu machen. Ich würde so etwas sagen wie: Die meisten Menschen sind gut, aber eben nicht alle. Es ist wichtig, dass du vorsichtig bist. Es kann zum Beispiel sein, dass jemand eigentlich nett ist, und du hast trotzdem ein komisches Gefühl. Das ist dann in Ordnung, und du kannst mir wirklich alles sagen. Wichtig ist, dass Eltern ihren Kindern vermitteln: Ich bin stark, ich halte es aus, wenn du mir etwas Unangenehmes erzählst. Kinder wollen ihre Eltern nämlich auch schützen, deshalb schicken wir die Eltern nach Möglichkeit bei Anhörungen raus, damit die Kinder frei sprechen können.

Was können Eltern sonst noch tun, um ihr Kind zu schützen?

Ich denke, das Wichtigste ist, gut hinzuhören, was ein Kind erzählt. Dann nachzuhaken und die Sache nicht leichtfertig abtun. Gerade wenn ein Kind etwas Negatives über Leute im näheren Umfeld sagt, ist man ja versucht zu widersprechen.

Kinder können ja auch nicht unterscheiden zwischen einem echten Vertrauensverhältnis und unserem gesellschaftlichen Nettsein, also dass man aus Konvention den Nachbarn freundlich grüßt, obwohl man ihm natürlich auf keinen Fall sein Kind anvertrauen würde. Genau. Dafür gibt es den letzten Tipp auf meiner Liste: mit dem Kind einen möglichst kleinen Kreis an Vertrauenspersonen zu vereinbaren, die das Kind von der Schule oder der Kita abholen dürfen.

Wie schützen sich Eltern vor zu viel Sorge?

Das ist eine wirklich schwierige Frage. Mir hilft, immer wieder zu reflektieren, dass zwar schlimme Dinge passieren, aber dass ich mein Kind schützen kann, wenn ich versuche, aufmerksam zu sein und einen guten Kontakt zu meinem Kind zu halten. Für mich wäre so ein Tracker zum Beispiel keine gute Lösung – mich würde es noch nervöser machen, immer überprüfen zu können, wo mein Kind gerade ist, da hätte ich keine ruhige Minute.

Das Interview führte Pia Arras-Pretzler.

Kriminalhauptkommissarin Marion Heyers ist unter Tel. +49 211.870 68 20 und marion.heyers@polizei.nrw.de zu erreichen. 

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