„Ich habe Zeit und höre zu“, ermuntert Anna S. ihre anonyme Gesprächspartnerin am anderen Ende der Leitung. Und nach einigem Zögern erzählt ihr die junge Stimme, dass sie sehr krank ist und ihre Eltern darüber sehr traurig. Da die Eltern in ihrer eigenen Trauer verfangen sind, hat sich die Anruferin an das Kinder- und Jugendtelefon gewandt. Zum ersten Mal spricht sie über ihr Problem. Nach über einer Stunde verabschieden sich die Beiden und das junge Mädchen ist hörbar erleichtert.
Zuhören steht an erster Stelle
Jeden Tag, jede Woche – Montag bis Samstag von 14 bis 20 Uhr – erleben die Ehrenamtlichen des Kinder- und Jugendtelefons und bei „Jugendliche beraten Jugendliche“ solche Gesprächssituationen, in Düsseldorf seit inzwischen 30 Jahren. Im Jahr 2022 wurden vom Düsseldorfer Beratungsteam insgesamt 6715 Anrufe von Kindern und Jugendlichen entgegengenommen. Nur selten geht es um Leben und Tod, aber oft um Ängste, Gewalterfahrung, Einsamkeit, Selbstverletzung, Stress mit Eltern oder in der Schule, Mobbing, psychische Probleme oder eine unglückliche Liebe. Im Gespräch steht dann das Zuhören an erster Stelle. „Wenn es die Jugendlichen wollen, schauen wir aber auch gemeinsam nach möglichen Lösungen oder geben ihnen Adressen für weiterführende Hilfeangebote“, so Bernhard Müller, Koordinator des Kinder- und Jugendtelefons Düsseldorf.
Bedarf früh erkannt
„Wenn man es genau nimmt, gibt es uns sogar schon seit 50 Jahren“, erzählt Dr. Hauke Duckwitz, 1. Vorsitzender des Vereins „Der Kinderschutzbund“ in Düsseldorf. Damals hatten ein Kinder- und Jugendpsychologe und eine Familienhelferin ihre private Telefonnummer als Notrufnummer angeboten. Sie hatten den Bedarf früh erkannt, unbürokratisch gehandelt und geholfen. 20 Jahre später wurde das Hilfeangebot auf offizielle Füße gestellt, das heutige Kinder- und Jugendtelefon, in Düsseldorf betrieben von Der Kinderschutzbund e. V. und bundesweit angesiedelt unter dem Dach von „Nummer gegen Kummer“ in Wuppertal.
Beratung auf Augenhöhe
„Es reicht aber nicht, den Jugendlichen ein Ohr zu schenken“, verweist Kinderneurologe Dr. Hauke Duckwitz auf die Anforderungen, „wir müssen die Jugendlichen auch da abholen, wo wir sie am besten erreichen können.“ Deshalb gehören zum Kinder- und Jugendtelefon Düsseldorf inzwischen auch eine Online-Beratung sowie Beratung auf Augenhöhe mit der Peergroup durch „Jugendliche beraten Jugendliche“. „Das wird sehr gut angenommen“, weiß Anna S., die seit zwei Jahren hier mitarbeitet und mit 15 anderen ehrenamtlich tätigen Jugendlichen dieses spezielle Telefon samstags von 14 bis 20 Uhr besetzt hält.
Ehrenamtliche werden immer gesucht
Wer beim Kinder- und Jugendtelefon mitarbeiten möchte – und gesucht werden immer weitere Ehrenamtliche – erhält eine auf die Telefonberatung von Jugendlichen ausgerichtete halbjährliche Ausbildung (70 Stunden), immer wieder auch Gelegenheiten zur Fortbildung und Supervision. „Die Menschen, die ehrenamtlich am Telefon sitzen, sind der Kern dieses niederschwelligen und kostenlosen Beratungsangebotes. Ohne sie würde gar nichts gehen und wir sind sehr dankbar für ihr ehrenamtliches Engagement“, unterstreicht Dr. Hauke Duckwitz.