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Eine besondere Bindung

Viele Stunden hat mein Vater mit unseren Jungs Fußball gespielt, ihnen vorgesungen, bis sie eingeschlafen waren, und bis heute haben sie ein sehr inniges Verhältnis. Er ist viel gelassener als ich. Meine Großeltern waren ganz anders: Meine Oma konnte mich nicht so richtig liebevoll umarmen. Mein Opa achtete streng auf „erst die Hausaufgaben, dann das Vergnügen“. Jeder hat seine eigenen Erinnerungen mit den Großeltern. Vieles hat sich verändert. Welche Rolle spielen Großeltern heute? 

ein Mädchen hockt mit seinem Opa im Laub und guckt in die Kamera

Eva Rüther

22.08.2024

Lesezeit 4 Minuten

Das Familienbild hat sich grundlegend geändert. Vor 30 Jahren lebten Eltern und Großeltern oft unter einem Dach und bekamen voneinander alles mit. Omas und Opas meinten häufig, alles „besser zu wissen“. Heute tragen die meisten Omas  keinen Dutt mehr oder laufen den ganzen Tag mit Kittelschürze herum. Sie sind viel aktiver, fitter und selbstbestimmter als früher. Das gilt natürlich auch für die Opas: Meist sind sie nicht mehr so distanziert, streng und unnahbar und genießen häufig zu ihren Enkelkindern eine Nähe, die sie vielleicht bei ihren Kindern noch nicht richtig zulassen konnten. Heute wollen die meisten Familien Beziehungen haben, die sie beeinflussen können, in denen sich alle wohlfühlen. So beschreibt es auch Dr. Wolfgang Krüger. Er ist Psychotherapeut und Autor des Buches „Die Geheimnisse der Großeltern – Unsere Wurzeln kennen, um fliegen zu lernen“. Und wenn es gut läuft, können sich Enkelkinder bei den Großeltern richtig wohlfühlen. Schließlich sind sie häufig nachgiebiger als die Eltern. Da darf es dann ruhig mal ein Schokokeks mehr sein. 

Eine entspannte Zeit

Sind die Großeltern schon im Ruhestand, sind sie meistens auch nicht so gestresst und abgekämpft vom Alltag und dadurch in vielen Dingen vielleicht gelassener als die Eltern. „Manche bezeichnen Großeltern als die Philosophen des Lebens. Kinder erleben bei ihnen einen Ort der Ruhe, der Sinnlichkeit, oft auch der Fantasie“, so beschreibt es Dr. Wolfgang Krüger. Diese entspannte Zeit sollten Eltern aber bloß nicht als eine Konkurrenzsituation empfinden: Großeltern spielen einfach eine andere Rolle. Während die Eltern den Alltag mit allen Regeln und Terminen stemmen, sind Omas und Opas in der Regel für eine schöne entspannte Zeit zuständig. Sie lesen den Kindern etwas vor, hören zu, backen mit ihnen und genießen ruhige Gespräche in der Küche. Vielleicht darf das Kind beim Schneiden der Apfelbäume helfen oder an der Tankstelle die Scheiben vom Auto putzen. Aber auch nicht alle Großeltern verstehen sich als Betreuungsperson für die Enkel. Vielleicht kennt ihr aber auch die coole Oma, die gar nicht so oft vor Ort ist, sondern gerne verreist und später ihre Reiseschätze mitbringt. Eure Kinder lieben sie vermutlich genau für das, was und wie sie ist. Schließlich wollen viele Großeltern gar nicht die ausschließlich sich kümmernde Person sein, sondern einfach das tun, wofür sie bisher vielleicht noch keine Zeit hatten. So ist jede Beziehung zwischen Großeltern und Enkelkindern einzigartig.

Im Dialog

Hat eine Familie das Glück, fitte Großeltern in der näheren Umgebung zu haben, fungieren diese auch häufig als Krisenfeuerwehr: Wenn ein Kind geboren wird, wenn die Eltern krank sind, ein Kind schwierig ist und mehr Betreuung braucht, springen heute oft Oma und Opa ein. Ohne sie würden viele Familien den Spagat zwischen begrenzten Betreuungszeiten, Job und Freizeit nicht hinbekommen. Im besten Fall unterstützt sich die Familie dabei gegenseitig und alle können profitieren. All das klingt sehr nach Bilderbuch-Beziehung. Denn natürlich kann es auch zu Konflikten kommen. Gerade in den Diskussionen um Erziehung und im Stress alltäglicher Situationen kann es schnell zu unüberlegten Worten und Ärger kommen. In manchen Fällen kommt es sogar so weit, dass der Kontakt komplett abbricht. Das ist bedauerlich, kann für die ein oder andere Familie aber auch notwendig sein. Manchmal gibt es auch „kleinere“ Streitigkeiten; besonders, wenn Großeltern sich nicht an Absprachen halten. Ärger ist vorprogrammiert, wenn dort die Kinder all die Süßigkeiten bekommen, die zu Hause verboten sind, und ständig vor dem Fernsehen sitzen, obwohl das die Eltern nicht mögen. Gut ist, wenn Eltern und Großeltern hier miteinander im Gespräch bleiben und auch nicht jede Situation und jedes Wort auf die Goldwaage legen. Wenn die Regeln des Miteinanders klar besprochen sind und jedem Mitglied der Familie wohlwollend auch der Raum zur jeweiligen Entfaltung zugestanden wird, haben alle Generationen eine große Chance auf ein harmonisches Miteinander. All das erzählt von den vielen schönen positiven Effekten einer guten Großeltern-Beziehung. Auch umgekehrt profitieren Omas und Opas natürlich von ihren Enkeln: Sie bleiben jung und fühlen, dass sie wichtig sind und gebraucht werden. „Sie können ihr Wissen weitergeben. Sehr häufig sterben die Großeltern, sobald die Enkelkinder erwachsen geworden sind und das Elternhaus verlassen. Man hat manchmal den Eindruck, dass dann ihre Aufgabe erfüllt ist“, erklärt Dr. Wolfgang Krüger. Das in vielen Städten stattfindende Projekt von Leih-Oma und Leih-Opa sieht er etwas skeptisch: „Die Beziehung zwischen Großeltern und Eltern ist sehr innig, die Familienbeziehung ist – wenn es gut geht – sehr vertraut. Dies müsste bei den Leih-Großeltern erst aufgebaut werden, wobei es auch ein Vorteil sein kann, dass man unbelastet eine Beziehung beginnt.“ Das muss natürlich jede Familie für sich selbst herausfinden: Vielleicht passt gerade diese bestimmte Person ganz wunderbar zu euch und freut sich selbst, dass sie eine Aufgabe hat.

Familienwerte und Glaubenssätze

In seinem Buch geht Dr. Wolfgang Krüger aber noch weiter: Er meint, dass wir auch als erwachsene Menschen die früheren Geheimnisse der Großeltern erkunden sollten, weil dort sehr viele Kräfte gebunden sind: „Wir müssen erkennen, welche Normen und Familienwerte es gab und gibt, weil sonst unser Leben immer wie fremdgesteuert abläuft. Ich muss sie erkennen und begreifen, was sie mit meinem Leben zu tun haben.“ Glaubenssätze können sich ja auch in unser Leben schmuggeln – warum reagiere ich so empfindlich, wenn mein Kind ein bestimmtes Verhalten zeigt, das objektiv gesehen gar nicht so dramatisch war? Vielleicht reagiere ich bei einem Thema so empfindlich, weil es mich selbst als Kind durch die heutigen Großeltern so beschäftigt hat? Waren sie distanziert und haben Probleme eher nicht besprochen? Inwiefern wirkt sich das auf mein eigenes Verhalten und das der Kinder und Enkelkinder heute aus? Und: Wer sich mit dem Leben seiner Großeltern und Eltern beschäftigt, wird bestimmt auch aufregende Geschichten entdecken. Und diese wiederum können gemeinsam mit der Familie den Enkelkindern erzählt werden. Denn gerade diese Geschichten „von früher“ empfinden Kinder oft als besonders spannend. So lernen sie, wie Oma und Opa selbst aufgewachsen sind, und können ganz sicher später erkennen, wie wunderbar und wichtig die Zeit mit Oma und Opa war.

ein Mädchen umarmt seine Oma von hinten, beide lachen in die Kamera

Übrigens …

… leben glückliche Großeltern länger. Das belegt die sogenannte Berliner Altersstudie, an der das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin beteiligt war, aber auch die Universität Basel, die Edith Cowan University, die University of Western Australia und die Humboldt-Universität Berlin. Das internationale Forschungsteam verglich Großeltern, die ihre Enkelkinder betreuten, mit Großeltern, die das nicht taten, sowie mit älteren, enkel- oder kinderlosen Menschen, die sich um andere Menschen in ihrem sozialen Umfeld kümmerten. Verwendet für die Ergebnisse wurden die Überlebensanalysen von über 500 Menschen im Alter zwischen 70 und 103 Jahren. Die überlebenden Teilnehmer waren in der sogenannten Berliner Altersstudie zwischen 1990 und 2009 alle fünf Jahre befragt worden. Ergebnis: Von den Großeltern, die sich um ihre Enkelkinder kümmerten, lebten zehn Jahre nach der ersten Datenerhebung noch die Hälfte. Von den Menschen, die sich nicht für Enkelkinder engagierten, war die Hälfte bereits nach fünf Jahren gestorben. Allerdings zeigt die Studie auch, dass ein Übermaß an Enkelbetreuung Stress bedeuten kann. Und der wiederum wirkt sich negativ auf die physische und psychische Gesundheit aus – und damit auch wieder auf die Lebenszeit. Also: Wie immer kommt es auf das Maß an. All die Absprachen, Ansprüche und Wünsche müssen eben zu eurer Familie passen.

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