Detox kennen wir von Fasten-Wochenenden: viel Wasser und Kräutertee trinken, um dem überlasteten Organismus eine Auszeit zu gönnen. Nicht angenehm, aber effektiv – und im Nachhinein doch immer schön. Bei der digitalen Entgiftung läuft es ähnlich. Wir verzichten für eine bestimmte Zeit auf die Nutzung von Handy, Tablet und Co. Danach sind im Idealfall unsere Sinne wieder geschärft für die Menge an Zeit, die wir damit verbringen – und was wir dadurch eventuell verpassen.
Verführerisch praktisch
Aber kann man das wirklich vergleichen? Immerhin braucht kein Mensch wirklich jeden Tag Chips, Alkohol und Süßkram, und wer darauf verzichten möchte, räumt das ganze Zeug einfach außer Sicht oder kauft es erst gar nicht. Das Handy hingegen ist allgegenwärtig – dass wir es zum Telefonieren brauchen, ist nur die Spitze des Eisbergs. Im Grunde steckt in dem Ding unser ganzes Leben – Mails, Chats, soziale Medien, Spiele, Fotos, Termine, Tickets, Shopping, Banking, Musik, Filme und, nicht zuletzt, Informationen. Wir haben uns so sehr daran gewöhnt, immer erreichbar zu sein und, was immer uns in den Kopf kommt, mal eben zu erledigen oder zu recherchieren. Deshalb fühlen wir uns alle inzwischen ein bisschen verloren ohne Handy.
Erste Schritte
Also durchaus nachvollziehbar, diese Trennungsangst oder Nomophobie (kommt von: no mobile). Aber nicht alles, was wir uns im Lauf der Zeit aufs Smartphone geladen haben, brauchen wir wirklich. Hier kommt eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, bevor es mit dem Hardcore-Detoxen losgeht. Echte Fastenkuren starten ja auch mit einem Entlastungstag! Erstens: Tracken, wie viele Stunden du tatsächlich am Handy bist. Ab Android 9 findest du entsprechende Funktionen schon vorinstalliert. Sie heißen je nach Hersteller unterschiedlich, etwa „Digital Wellbeing“ oder „Digitales Wohlbefinden“. Für ältere Geräte kannst du dir eine entsprechende App herunterladen, etwa „Action Dash“. Zweitens: Ergebnis sacken lassen. Drittens: Benachrichtigungen leise stellen. Besser jetzt? Viertens: Überlegen, bei welchen Apps du besonders oft hängen bleibst. Und wenn du es ernst meinst mit dem Detoxen: runter damit! Fünftens: Auszeiten nehmen. In denen legst du dein inzwischen wesentlich cleaneres und leiseres Smartphone für eine definierte Zeit in eine Ecke. Am Abend darf es wie der Froschkönig nicht mehr mit ins Bett, sondern wartet geduldig, bis du wieder wach bist. Und vielleicht sogar schon deine erste Tasse Tee oder Kaffee getrunken hast.
Und weiter geht’s!
Mit diesen fünf Schritten bist du bereits ein riesiges Stück weiter gekommen und deine Familie hat vielleicht schon bemerkt, dass dein Handy öfter mal in der Ecke liegt und du nicht eben mal … Nun bist du bereit, zusammen mit deiner Familie zum großen Detox-Abenteuer aufzubrechen. Und weil es ja als gemeinsame Aktion gedacht ist, setzt ihr euch in Ruhe an einen Tisch oder auf die Couch und überlegt alle miteinander, ob ihr darauf Lust habt und was es euch bringen könnte – es gelingt eher, wenn ihr ein Ziel und einen Grund habt. Versucht, die positiven Aspekte hervorzuheben. Ausgangspunkt des Gesprächs ist nicht, dass Bildschirmzeit per se böse, böse ist. Das ist Kindern nicht einfach zu verklickern, denn sie erfahren Spiele, Chats oder was auch immer sie gern machen, ja als erfüllend. Es macht Spaß und ist zudem ja genau darauf zugeschnitten und so programmiert, dass sie ihr Gerät nur ungern aus den Händen legen.
Ideen sammeln
Wecke eher die Neugier auf das, was die Welt jenseits der Bildschirme zu bieten hat, und teile deine Entlastungszeit-Erfahrung mit den anderen. Manches liegt auf der Hand: Gemeinsame Mahlzeiten werden zu einem kleinen Fest, wenn man sich bewusst aufeinander und auf das Essen einlässt. Hausaufgaben werden ohne Ablenkung schneller fertig. Im Bett noch rumzudaddeln hält vom Schlafen ab. Sich unterwegs vom Handy navigieren zu lassen, kann Zeit sparen und praktisch sein, aber das Gegenteil von „sparen“ und „praktisch“ muss nicht immer „verschwenden“ und „unpraktisch“ sein, sondern führt zuweilen sogar zu „Fülle“ und „Luxus“. Ihr werdet aber sicher auch noch viele andere Stellschrauben finden – beim Abholen vom Sport vielleicht? Wenn ihr alle müde nach Hause kommt? Womit lässt sich dieses Bedürfnis nach Entspannung und Ablenkung denn noch stillen? Wie beim echten Fasten kann es passieren, dass ihr euch ohne das gewohnte Screen-Futter zunächst dünnhäutig und gereizt fühlt. Faustregel hier wie da: Es wird umso mehr wehtun, je nötiger man es hat. Vielleicht aber auch nicht – das probiert ihr am besten selbst aus! PS: Die vorgestellten Apps zum Begrenzen der Bildschirmzeit könnten für den einen oder anderen hilfreich sein, aber meiner Meinung nach keinesfalls als erster Schritt, sondern später als Hilfsmittel.