Mit dem Begriff „Mobilität“ werden von vielen spontan Verkehrsmittel assoziiert, die Menschen so schnell wie möglich zur Arbeit oder die Kinder zur Kita oder Schule bringen sollen. An der Spitze steht dabei der sogenannte motorisierte Individualverkehr mit dem Auto, gefolgt von ÖPNV mit Bus und Bahn. Es geht also um die Fort-Bewegung. Dabei sollte es aber nicht unbedingt um das passive Weiterkommen gehen, sondern auch um Bewegung im Sinne von eigener Aktivität. Die ist gesund, doch ihr wird in der funktionalen Alltagslogistik häufig zu wenig Raum gegeben. Besonders aber für Kinder ist sie essenziell.
Tägliche Bewegung ist gesund
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung empfiehlt für Grundschulkinder täglich insgesamt 90 Minuten anstrengende Bewegung, die unter anderem mit dem Fahrrad oder schnellem Gehen erreicht werden kann. Der sechsjährige Aaron und der zehnjährige Noah kennen es nicht anders: morgens Helm auf und ab aufs Fahrrad. Das ist für sie ganz selbstverständlich. Als sie noch jünger waren, haben ihre Eltern Julia und Jeremias die Wege mit ihnen zur Kita, zu Freunden oder Ausflugszielen so oft wie möglich mit dem Lastenfahrrad bewältigt. Die beiden Jungen hatten also immer schon das Vorbild, dass man mit eigener Kraft von A nach B gelangen kann. Allerdings empfinden viele Eltern den Großstadtverkehr für ihre Kinder als gefährlich, wenn es darum geht, selbstständig daran teilzunehmen. Auch wenn die Kinder in der zweiten oder dritten Klassen durch Verkehrspolizist:innen Theorie und Praxis vermittelt bekommen, sind laut Expert:innen vor einem Alter von zehn Jahren das Sehvermögen, die Orientierungsfähigkeit und die Motorik noch nicht so weit entwickelt, dass Heranwachsende eigenständig die sich schnell ändernden Situationen auf der Straße richtig abschätzen können.
Üben in Gemeinschaft
In Barcelona wollte eine Gruppe von Eltern ihrem Nachwuchs deswegen einen sicheren Schulweg mit dem Fahrrad ermöglichen und gründete 2021 die Initiative „Bicibús“, einen sogenannten Fahrradbus. Immer freitags treffen sich seitdem Schüler:innen, um auf für Autos und Motorräder abgesperrten Zonen gemeinsam zur Schule zu radeln. Längst gibt es immer mehr Strecken in Barcelona sowie in vielen Orten Spaniens und Nachahmergruppen über die Landesgrenzen hinaus, um Kindern auf dem Schulweg Sicherheit, Spaß und Bewegung zu garantieren. Eltern und Lehrer:innen sind je nach Alter der Jungen und Mädchen mit von der Partie. In Deutschland rollen die Fahrradbusse mittlerweile auch unter anderem in Frankfurt und Karlsruhe.
Zu Fuß zur Schule
Was früher eine Selbstverständlichkeit war, ist vielen Kindern heute unbekannt, nämlich zur Schule zu laufen. „Bei uns werden ungefähr 30 Prozent der Kinder mit dem Auto gebracht“, erzählt die Schulleiterin der katholische Grundschule Unter den Eichen in Gerresheim, Heike Maas. Nun wurde bundesweit das Projekt „Zu Fuß zur Schule“ ins Leben gerufen, an dem sich seit letztem Jahr auch ihre Schule beteiligt. Sie berichtet: „In Unterrichtseinheiten haben wir im Vorfeld mit den Kindern über den Sinn der Aktion gesprochen, dabei aber darauf geachtet, dass sich diejenigen, die mit dem Auto gebracht werden, nicht stigmatisiert fühlen.“ Ziel der Aktion sei eine Sensibilisierung für Alternativen zum Auto und die Tatsache, dass sie gesünder und sicherer seien. Am Aktionstag selbst wurde gezählt, wer motorisiert und wer zu Fuß oder mit dem Roller oder Fahrrad zur Schule gekommen ist, und die Resultate wurden auf Plakate übertragen und auch dem Verkehrsmanagement gemeldet. Die Schule hat mit 83,21 Prozent Kindern, die nicht mit dem Auto gebracht wurden, Platz 28 erreicht, so die Schulleiterin.
Beweg-Gründe
Es gibt natürlich auch viele Familien mit weiten Schul- und Arbeitswegen, für die der Verzicht auf das Auto sehr aufwendig wäre. Nach Erhebungen des Bundesumweltamtes werden aber 60 Prozent der Wege unter fünf Kilometern mit dem Auto zurückgelegt, selbst für zwei Kilometer steigen 47 Prozent der Mensch in ihren PKW. Dabei ist man bei einer Kurzstrecke in der Stadt zu Fuß deutlich schneller unterwegs und bis zu drei Kilometern bringt einen das Fahrrad insgesamt schneller zum Ziel als das Auto. Für Kinder ist es auch ein ganz anderes Gefühl, ob sie auf dem Weg in die Kita oder die Schule im Auto gesessen oder mit eigener Bewegung, roten Backen und erfrischt ihr Ziel erreicht haben, gerade auch angesichts langer Schulvormittage auf dem Stuhl. Julia möchte am Ende aber auch noch eines betonen: „Wenn es ganz doll regnet oder sehr kalt ist, steigen wir auch ins Auto, allerdings elektrisch betrieben, und seit Neuestem haben wir unser ,Elektro-Töff‘, das offiziell Kabinenroller heißt und im Straßenverkehr als 45er-Roller gilt. Ich finde es so praktisch, weil ich damit einfach auf einem breiten Gehweg parken kann und trocken und sicher ans Ziel komme, wenn das Wetter mal so richtig ungemütlich ist.“