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Keine Stelle mit Kopftuch

Wer diskriminiert, tut das selten offen und direkt. Betroffene nehmen Diskriminierung hingegen sehr wohl wahr, vor allem, wenn es sich dabei um Rassismus handelt. Auch die Arbeitswelt ist nicht frei davon.

Junge Frau mit Kopftuch im Porträt

Mustafa Görkem

03.06.2024

Lesezeit 3 Minuten

Eine einheitliche Definition von Rassismus gibt es nicht. Auf einer Informationsplattform über Menschenrechte heißt es: „Rassismus beraubt Menschen ihrer Würde, ihrer Gleichheit und ihrer grundlegenden Menschenrechte. Er findet Ausdruck in alltäglichen Äußerungen oder Handlungen von Einzelpersonen oder Gruppen sowie in struktureller Benachteiligung, die sich durch institutionalisierte und soziale Praktiken äußert.“ Es gibt verschiedene Arten von Rassismus: Er kann sich allgemein gegen als fremd oder ausländisch empfundene Menschen richten, dann wiederum gibt es auch spezielle Formen wie Anti-Schwarzen Rassismus, Antisemitismus oder Antimuslimischen Rassismus, die bestimmte Religionen, Ethnien oder Nationalitäten ins Visier nehmen.

Ungleichbehandlung bei Bewerbungen

Rassismus hat in der Regel mit Vorurteilen zu tun, die wir alle – die eine weniger, der andere mehr – in sich tragen. Er kommt in allen Bereichen des Lebens vor: in der Schule, im Supermarkt, bei der Wohnungssuche. Eher selten geht es dabei um die Ausübung verbaler oder psychischer Gewalt, die auf die Existenz der oder des Betroffenen abzielt. Gemein ist den allermeisten rassistischen Äußerungen oder Handlungsweisen aber, dass es um eine Benachteiligung oder Ungleichbehandlung geht. Bezogen auf die Arbeitswelt gibt es eine Studie aus dem Jahr 2016, die untersucht hat, wie sich die Ungleichbehandlung bei muslimischen Frauen äußert. Unter Verwendung von identischen Bewerbungen mit unterschiedlichen Namen und Bewerbungsfotos wurden dabei die Reaktionen von Arbeitgebern untersucht. Die Ergebnisse zeigten eine deutliche Diskriminierung aufgrund von Namen und religiöser Zugehörigkeit und werfen damit ein beunruhigendes Licht auf die Realität der Bewerbungspraxis in Deutschland.

Sandra wird öfter eingeladen als Meryem

Demnach erhielten Bewerbungen mit dem Namen „Sandra Bauer“ eine deutlich höhere Einladungsrate zu Vorstellungsgesprächen im Vergleich zu Bewerbungen mit dem Namen „Meryem Öztürk“. Noch alarmierender war die Tatsache, dass Bewerbungen von Meryem Öztürk mit Kopftuch eine noch niedrigere Einladungsrate aufwiesen. Wohlgemerkt – auf den Fotos war stets dieselbe Person abgebildet: eine hieß Sandra Bauer, die andere Meryem Öztürk, letztere einmal mit, einmal ohne Kopftuch. Besonders besorgniserregend war der Anstieg der Diskriminierung bei höher qualifizierten Positionen. Für Frauen mit Kopftuch war der Zugang zu Positionen mit höherem beruflichem Status in Deutschland offenbar deutlich eingeschränkt. Eine neuere Studie, durchgeführt im Jahr 2022, bestätigt diese Erkenntnisse.

Rassistische Realitäten

Rassismus war in Deutschland lange kein Thema, welches öffentlich geführt wurde. Allerdings ist Rassismus für viele Menschen tägliche Realität. Erst als Folge der rassistisch motivierten Attentate im Jahr 2019 in Halle, 2020 in Hanau und der Black Lives Matter-Bewegung in den USA wurde der extreme wie auch der alltägliche Rassismus zum Diskussionsthema in der Gesellschaft. In Folge dessen wurde im Juli 2020 der Nationale Diskriminierungs- und Rassismusmonitor durch Mittel des Bundestags am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung eingerichtet, um die Ursachen, das Ausmaß und die Folgen von Rassismus systematisch zu untersuchen. Der Nationale Diskriminierungs- und Rassismusmonitor besteht aus unterschiedlichen Einzelstudien, verteilt auf mehrere Jahre. Als erste umfangreiche Untersuchung ist im Mai 2022 die Auftaktstudie „Rassistische Realitäten” erschienen.

Bewerbung mit Vorstellungsgespräch

Mit einer Kopftuchträgerin, die persönlich erlebt hat, wie sie wegen des Kleidungsstücks eine Stelle nicht bekam, konnten wir sprechen. Sie heißt Yasemin Bilgiç-Ünlü und ist Apothekerin. Gleich zu Beginn unseres Gesprächs ist es ihr wichtig zu betonen, dass es sich bei dem Erlebten um eine Ausnahme in ihrer bisherigen Laufbahn handele, wobei sie auch anmerkt, dass sie bislang nicht oft den Job gewechselt und sich auch nicht oft beworben hat. Die Stelle, für die sie sich Ende 2020 bewarb, befand sich ihren Angaben zufolge in der Krankenhaus-Apotheke einer katholischen Klinik. Sie habe sich ganz normal mit Klarnamen und Foto beworben und sei zeitnah eingeladen worden: „Das Gespräch lief aus meiner Sicht sehr gut und auch die Abteilungsleitung erweckte diesen Eindruck und vermittelte mir, dass sie mich gerne einstellen würde.“ Als Einstieg sei der 1. Juli 2021 ausgemacht worden. Dann allerdings sei eine Absage gekommen, sehr zu ihrer Verwunderung, weshalb sie ihren damaligen Job nicht wie eigentlich vorgesehen zum 30. Juni gekündigt habe. Im April, bereits nach Ablauf der Kündigungsfrist, habe sich die Abteilungsleitung überraschend nochmal gemeldet. Wie aus einer E-Mail hervorgeht, habe ihr die Leitung zugesichert, auch bis zum 1. Januar 2022, dem nächstmöglichen Zeitpunkt für den Beginn einer Zusammenarbeit, auf sie warten zu wollen. Ein Vorvertrag sollte das Besprochene formal festhalten.

Kopftuch als Ausschlussgrund

Doch auch dieses Mal klappte es nicht. „Die Abteilungsleitung gab mir am Telefon zu verstehen, dass ich zwar geeignet sei, doch die Stelle nicht bekommen könne. Als ich nach dem Grund fragte, hieß es, dass ich für die Stelle das Kopftuch abnehmen müsste. Der Wortlaut war: „Mit dem Kopftuch funktioniert das so nicht“. Bilgiç-Ünlü ist sich heute sicher, dass die Abteilungsleitung sie um jeden Preis haben wollte und sogar auf sie gewartet hätte, doch die Personalabteilung etwas gegen ihre Anstellung hatte. Als „schade“ habe sie es daher empfunden, dass die Leitung der Krankenhausapotheke sich nicht stärker für sie eingesetzt habe, denn schließlich habe das Kopftuch nichts mit ihrer Kompetenz zu tun. Ihr sei der katholische Hintergrund der Klinik von Anfang an bewusst gewesen, doch habe sie nicht damit gerechnet, dass es am Kopftuch scheitern könnte, was sie aus heutiger Sicht als „primitiv“ empfindet. Ob sie die Stelle ohne Kopftuch tatsächlich bekommen hätte? Darüber macht sich die Apothekerin, die mittlerweile in einer anderen Krankenhausapotheke eine Anstellung gefunden hat, keine Gedanken. Für sie zähle einzig und allein, ob bzw. dass man seinen Job gut mache. Die Konfession oder die Kopfbedeckung seien völlig irrelevant. „Ich wünsche mir, dass das auch die Arbeitgeber so sehen.“ Der geschilderte Fall und die vorgestellte Studie unterstreichen die dringende Notwendigkeit, Diskriminierung aufgrund von Religion und Herkunft in Deutschland anzugehen. Anonyme Bewerbungen könnten eine Lösung sein, um Vorurteile und Diskriminierung in der Bewerbungspraxis zu verringern. In anderen Ländern ist dies bereits gängige Praxis, hierzulande noch eher die Ausnahme.

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