„Wenn der Wind der Erneuerung weht, dann bauen die einen Menschen Mauern und die anderen Windmühlen.“
Aus China
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Daniela Brauser ist Kinder- und Jugencoach, wir haben mit ihr über die verschiedenen Formen von Ängsten gesprochen, die Kinder quälen können – und was dagegen hilft.
Was sind typische Ängste von Kindern?
Ich arbeite mit Kindern ab der ersten Klasse. Typische Ängste in diesem Alter sind unter anderem Angst vor der Jugendherbergsfahrt, Angst in der Nacht und im Dunklen oder Ängste vor Tieren. Außerdem können Verlustängste auftreten: Vielleicht ist ein Haustier verstorben, vielleicht geht es den Großeltern nicht gut oder das Kind hat Angst, dass die Eltern sich trennen. Teilweise kommen auch Schulängste vor. Dabei geht es in der Grundschule weniger um die Leistung als um Mobbing, Diskriminierung und Gewalt durch andere Kinder, aber leider auch durch Lehrkräfte.
Ab wann kann der Leistungsdruck Angst verursachen?
Leistungsdruck äußern die meisten Betroffenen nach meiner Erfahrung ab circa der siebten Klasse. Da gibt es zum Beispiel gerade jetzt aktuell in der Coronapandemie Jugendliche, die im Homeschooling ab 6 Uhr morgens vor dem Computer sitzen, um ihre Aufgaben rechtzeitig abzuschicken, und auch abends kein Ende finden. Grundschüler*innen haben weniger Angst vor Prüfungen. Sie machen sich eher Sorgen, ob die Wunschschule einen Platz für sie hat. Prüfungsangst und Prüfungsblockaden entwickeln Kinder meistens erst an der weiterführenden Schule.
Was sind die Mechanismen kindlicher Ängste?
Angst ist ja ursprünglich ein Mechanismus, der uns vor Gefahren schützt, also eigentlich etwas Gutes. Aber wenn sich im Unterbewusstsein unangenehme Erfahrungen in einem bestimmten Bereich angesammelt haben, vermeidet das Kind oft zunächst ganz unbewusst die Wiederholung solch negativer Erlebnisse. Es können sich zum Beispiel negative Glaubenssätze wie „Ich kann kein Mathe“ entwickeln. Damit übernimmt die Angst die Kontrolle über das Kind und es fühlt sich ihr hilflos ausgeliefert.
Wie macht sich Angst bei Kindern bemerkbar?
Ängste zum Beispiel vor Tieren sind klar zu erkennen: Das Kind möchte Hunden, Katzen oder welche Tierart die Angst auslöst, auf keinen Fall begegnen, hält großen Abstand. Andere Ängste äußern sich mit Symptomen, die nicht so leicht zuzuordnen sind: Bauchweh, Übelkeit bis hin zum Erbrechen, Kopfschmerzen oder das Hinauszögern des Ins-Bett-Gehens. Dahinter steckt meist der Versuch, die angstmachende Situation zu vermeiden. Manche Kinder werden auch sehr still und ziehen sich zurück, wenn sie Angst haben.
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Woran erkennen Eltern, dass eine Angst überhandnimmt?
Wenn die Situation für die ganze Familie nicht mehr tragbar ist und der normale Alltag darunter leidet. Das Kind reagiert vielleicht mit Bockigkeit, kommt Aufforderungen nur widerwillig nach oder verweigert sich womöglich komplett. Sehr häufig werden Probleme und Streitigkeiten beim Thema Hausaufgaben geschildert. Oder die Schule ruft ständig an, weil das Kind – aus verschiedensten Gründen – abgeholt werden muss. Ältere Kinder machen das eventuell in Eigenregie und fangen an, die Schule zu schwänzen. Das Kind ist aufgrund seiner Angst sozusagen nicht mehr alltagstauglich.
Wie können Eltern dem Kind helfen?
Eltern sollten das Thema ansprechen. „Mir fällt auf, ...“ oder „Ich habe den Eindruck, dass ...“ könnten Gesprächseinstiege sein. Wenn das Kind über seine Gefühle spricht, ist es wichtig, diese Gefühle zuzulassen, ernst zu nehmen und Verständnis für die Angst des Kindes zu zeigen – auch wenn sie aus Erwachsenensicht vielleicht übertrieben erscheint. Oft hilft es, mit dem Kind über den ursprünglichen Sinn der Angst zu sprechen und sich gemeinsam eine Strategie zu überlegen.
Und was ist, wenn die Angst auch die Eltern umtreibt?
Ist zum Beispiel eine Oma schwer erkrankt, machen sich auch die Eltern große Sorgen. Um das Kind zu schützen, verheimlichen sie dann manches vor ihm. Das spürt das Kind aber genau und wird dadurch noch mehr verunsichert. Außerdem fühlt sich mit seiner Angst alleingelassen. Aus meiner Erfahrung heraus, die ich unter anderem auch bei meiner Arbeit auf der Intensivstation gesammelt habe, können Kinder viel besser mit der Wahrheit umgehen, als Erwachsene das oft meinen.
Daniela Brauser (46 Jahre alt ) ist Kinder-, Jugend-, Eltern- und Familiencoach nach dem Prinzip der integrativen Potenzialentfaltung (IPE), die lösungsorientiert mit den eigenen Stärken arbeitet. Sie hilft Kindern dabei, Probleme wie zum Beispiel Blockaden und negative Gefühle dauerhaft zu lösen und effizienter und leichter ihr Potenzial zu erreichen. So möchte sie Familien unterstützen, ihr Leben aktiv und selbstständig zu steuern und als positiv und schön zu erleben. Brauser ist außerdem Fachkrankenschwester für Intensivmedizin. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Söhnen (11 und 15 Jahre) in Düsseldorf.
Wie können Familien über Ängste sprechen?
Gut ist es, wenn die Eltern es schaffen, das Kind mit klaren, altersgerechten Worten über die Situation aufzuklären. Hilfreich dabei ist, wenn Eltern offen auch über ihre eigenen Ängste und Sorgen sprechen, ohne ihre Kinder zu sehr zu belasten. So steht die Familie in der schweren Situation zusammen und kann sich gegenseitig stützen und trösten.
Wie helfen Sie als Coach gegen kindliche Angst?
Ich versuche im Gespräch, die Ursachen für die Symptome und die zugrundeliegende Angst herauszufinden. Erwachsene können versuchen, die Angst auszuhalten und merken dann, dass die Angst nicht endlos schlimmer wird und sie die Kontrolle zurückgewinnen. Das ist für Kinder aber meist nicht möglich. Wenn ein*e Klient*in die Angst nicht mehr in den Griff bekommt, macht es vielleicht Sinn, sich dieser mit meiner Unterstützung zu stellen. Das Stichwort ist Selbstwirksamkeit.
Welche Methoden gibt es zur Angstbewältigung?
Zum Beispiel leite ich Betroffene an, ihre Gefühle, und ich meine dabei das Zuviel an Gefühlen, mit Hilfe der Methode des Fingerhaltens, bei dem jeder Finger für eine Emotion steht, wieder in den Griff zu bekommen. Eine weitere Methode ist die Handflächendruckmethode. Sollte die Angst nach einem Erlebnis aufgetreten und sich manifestiert haben, kann ich insbesondere auch Kindern mit der „iERT“-Methode, dem sogenannten Winken, helfen. Dies simuliert die REM-Phase des Schlafes, in der das Gehirn belastende Alltagssituationen oder auch Traumen bearbeitet.
Was ist Ihnen noch wichtig in der Angstbewältigung?
Zum Coaching kommen ja nur Betroffene, die ansonsten gesund sind. Und doch habe ich schon öfter die Erfahrung gemacht, dass Schulangst bis hin zur Schulverweigerung auf eine Lebensmittelunverträglichkeit zurückzuführen ist. Manche Kinder vertragen zum Beispiel Gluten und Casein nicht. Infolgedessen kann es zu einer verstärkten Histamin-Ausschüttung kommen. Dieser Botenstoff setzt Adrenalin frei und der Körper gerät biochemisch in den Zustand der Angst. In diesen Fällen hilft eine Umstellung der Ernährung und die Sanierung des Darms.
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